Im Rahmen der Gamescom 2016 hatten wir die Möglichkeit, ein kurzes Interview mit Felix Falk, Geschäftsführer der USK, zu führen. Über dieses Interview haben wir in der Episode #40 – Gamescom Imaginators gesprochen. Hier findet ihr vollständigkeitshalber noch einmal das Transkript des Interviews zum Nachlesen:
Wie lange wird im Voraus der Gamescom-Messe geplant?
Im Voraus der Gamescom werden alle Inhalte auf der Messe geprüft. Das heißt, nicht nur Spiele und Demos, sondern auch Bildschirmpräsentationen oder Trailer, weil sich die Messe entschlossen hat, nicht nur für Besucher ab 18 Jahren zu öffnen. Deshalb muss sichergestellt werden, dass jüngere Menschen keinen Content für Erwachsene zu sehen bekommen. Unsere Hauptarbeit beginnt ca. 10 Wochen vor Messebeginn. Dann bekommen wir das erste Material und wir haben bis Dienstag 19:00 Uhr vor Messestart alle Hände voll zu tun. Wenn uns ein Anbieter sagt, dass er gerne einen bestimmten Trailer oder eine Demo im 12er Bereich zeigen möchte, wir aber eine 16 dafür vergeben, kann er das Material ändern oder muss eine andere Lösung dafür finden. Und es werden natürlich auch viele Sachen gezeigt, die schon ein Rating haben und die deshalb nicht extra noch einmal eingereicht werden müssen.
Gibt es auch schon mal Verstöße oder ähnliches?
Hier auf der gamescom kommt es selten zu Verstößen. Vielleicht vergisst mal jemand, einen Trailer rechtzeitig einzureichen, aber als „Verstoß“ würde ich das dann nicht gleich bezeichnen. Bisher konnten wir auch alle kurzfristigen Probleme zusammen mit den Ausstellern schnell beheben. Letztendlich handelt sich hier ja um seriöse Unternehmen, die nicht mutwillig etwas verschweigen und das Risiko, etwas heimlich zu zeigen, nicht eingehen wollen. Es kann mal etwas durchrutschen, gerade bei Ausstellern aus dem Ausland, die nicht genau wissen wie der Jugendschutz in Deutschland funktioniert. Aber dafür gibt es jeden Mittwoch einen großen Rundgang über die Messe mit den Ordnungsbehörden. Hier ist das Ordnungsamt Köln zuständig und die laufen dann mit uns gemeinsam über das Messegelände. Wir schauen zusammen, ob es irgendwo Probleme gibt. Es läge bei schweren Verstößen dann auch in den Händen des Ordnungsamtes sogar Strafen bis 50.000,00€ auszusprechen. Aber das ist bisher nie vorgekommen.
Wieso gibt es in Deutschland die USK und nicht die europäische PEGI Lösung, die ja durchaus etabliert ist?
Dafür gibt es mehrere Gründe.
1. Das Jugendschutzsystem in Deutschland gibt es zum Beispiel einfach schon viel länger. Damit gab es auch die USK schon vor PEGI.
2. In Deutschland hat Jugendschutz Verfassungsrang
Nach Artikel 5 des Grundgesetzes kann die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Kunstfreiheit aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend eingeschränkt werden. In Amerika z.B. sieht das anders aus. Dort würde man wohl kaum die Presse-/Meinungsfreiheit wegen des Jugendschutzes einschränken. Doch bei uns zeigt das den hohen Stellenwert, der sich in den Gesetzes oder Institutionen wie der FSK, der USK oder der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ausdrückt.
3. Politisch war immer wichtig, dass wir einen spezifischen Jugendschutz haben. Jedes Land hat ein Stück weit seine eigenen Kriterien. Wir haben zwar überall auf der Welt Jugendschutzfaktoren wie Sexualität, Gewalt, Krieg, Drogen oder explizite Sprache. Die Art und Weise, wie diese Faktoren aber gewichtet werden, ist überall unterschiedlich. In Deutschland sind wir durch die beiden Weltkriege sehr sensibel, wenn es um das Thema Krieg und Gewalt geht. Daher werden Actionspiele zum Teil bei uns höher eingestuft als bei PEGI und darauf wollen Politik und Gesellschaft, Eltern nicht verzichten.
Spielt da auch ein bisschen das Medienverständnis mit rein? VR ist ja ein großer Trend. Wir können uns vorstellen, dass Emotionen dadurch eine größere Rolle spielen. Zum Beispiel würde ein Spiel, das in den 80ern indiziert wurde heute ab Null freigegeben. Das ist ja durchaus schon vorgekommen.
Das sind zwei verschiedene Themen. VR ist erstmal eine Technologie. Das ändert nicht per se die Alterskennzeichen der Inhalte. Denn am Ende sind es ja immer noch die Inhalte auf die wir schauen und dann entscheiden, welche Wirkung sie auf Kinder und Jugendliche haben. Als USK müssen wir technikneutral sein. Wir dürfen nicht sagen, dass es ein anderes Spiel ist, weil man es z.B. mit einem „Schwert“ spielt, obwohl man auch einen Controller benutzen könnte. Da müssen wir aufpassen. Andererseits muss auch die Entwicklung der Kriterien aktuell bleiben. Wir als USK dürfen nicht den Fehler machen, einmal in den 80er oder 90er Jahren gefundene Kriterien für alle Zeiten festzuklopfen. Da wären wir und die Ergebnisse schnell nicht mehr glaubwürdig. Jugendmedienschutz muss eben auch schauen, dass die Kriterien der Medienrealität von Kindern und Jugendlichen entspricht. Dabei ist es auch nicht so, dass immer alles liberaler wird. Stattdessen beobachten wir z.B. auch Themen, bei denen die Menschen sensibler werden wie zum Beispiel Datenschutz oder Kommunikation. Aber wenn die Grafik von Doom in den 90ern noch als hyperrealistische Darstellung galt, so ist die Medienrealität heute doch schone ein ganzes Stück weiter. In der Folge wurde Doom 1994 noch indiziert und hat vor drei Jahren eine USK 16 bekommen.
Ist das auch der Fall bei der Gears of War Reihe? Haben sich die Kriterien dort geändert oder war etwas am Spiel anders. Teil 1 und 2 waren indiziert, Teil 3 nicht mehr.
Jedes Spiel wird immer für sich und in seiner Gesamtheit betrachtet. Man kann nicht sagen „Die Serie an sich ist…“ oder „Shooter an sich sind immer…“. Es spielt auf jeden Fall eine Rolle, dass etwas Zeit ins Land gegangen ist und dass sich auch die Kriterien der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien weiterentwickeln. Das zeigt beispielsweise die Nichtindizierung von Mortal Kombat X. Da spielte bspw. eine Rolle, das die Darstellung von Kämpfen im klaren Fantasy Kontext angesiedelt waren. Dass so etwas mit in die Bewertung einfließt, zeigt ja, dass sich da einiges entwickelt.
Wir haben gelesen, dass [die USK] nur zehn Mitarbeiter hat, ist das richtig?
Wir sind inzwischen zwölf feste Mitarbeiter. Dazu kommen noch weitere Personen, die für den Prozess sehr wichtig sind. Das sind zum einen zwei staatliche Vertreter der obersten Landesjugendbehörden, die permanent in der USK sind und als Vorsitzende in den Prüfgremien sitzen und alle Verfahren mitmachen. Dann haben wir 10 Sichterinnen und Sichter, die die Spiele testen. Diese sind unabhängig und arbeiten ehrenamtlich gegen eine Aufwandsentschädigung. Das sind Studenten, die das nebenher machen. Dann haben wir noch einen Pool aus ca. 50 Jugendschutzsachverständigen, die in den Gremien sitzen, aus allen Bundesländern kommen, von Universitäten, Jugendämtern und Jugendclubs. Die haben Erfahrung mit Kindern, Jugendlichen und Computerspielen. Insgesamt tragen bei der USK also fast 100 Menschen dazu bei, dass das Ganze funktioniert.
Bei nur zehn Testern gibt es doch bestimmt auch viele Bewerbungen auf so eine Stelle?
Bei der USK gibt es ein umfassendes Bewerbungsverfahren, meistens Anfang des Jahres. Auf die Stellen bekommen wir über 100 Bewerbungen und daraus werden dann 1-2 ausgesucht. Die Bewerber müssen natürlich mindestens 18 Jahre alt sein. Sie müssen sich gut mit verschiedenen Genres auskennen. Wir brauchen niemanden, der nur Shooter spielen will. Jeder bekommt mal ein Ponyspiel, mal einen Racer, mal einen Shooter oder ein MMORPG. Da ist alles dabei und man muss sich zudem auf jeder Hardware auskennen. Man muss gute Englischkenntnisse haben. Viele Spiele sind zudem technisch noch fehlerhaft und es treten so manche Probleme auf, wenn zum Beispiel das Balancing noch nicht stimmt. Die Tester müssen deshalb schon ziemlich gut sein und vor allem müssen sie gut präsentieren können und das Gespielte vermitteln. Sie müssen dem Gremium einen guten Eindruck vom Gesamtspiel vermitteln.
Wie ist die Altersstruktur in so einem Gremium, das letztendlich die Bewertung abgibt? Wird auch darauf geachtet, dass junge Leute mitentscheiden?
Bei den ungefähr 50 Jugendschutzsachverständigen achten wir sehr darauf, dass alle Altersgruppen vertreten sind. Der Durchschnitt ist bei uns ca. Ende 40. Das heißt, wir haben Leute von Ende 20 bis Ende 60. Wer dann im Gremium zusammensitzt, ist immer dem Zufall überlassen. Das müssen wir so machen, um nicht angreifbar zu sein. Es werden vier Personen zusammengewürfelt und erst dann sieht man, wer die einzelnen sein werden. Dass das Ganze gut funktioniert, sieht man auch daran, dass weniger als 1 % der Antragsteller die Möglichkeit ergreift, in Berufung zu gehen, weil er mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist. Daran sieht man, dass wir eine gute und stabile Spruchpraxis haben.